Wie kann ich Gottes Wort verstehen?

Wie kann ich Gottes Wort verstehen?

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«Die Bibel ist ein Buch mit sieben Siegeln» ─ diesen Satz hat sicher jeder von uns schon gehört. Oder dies selber schon behauptet. Gemeint ist damit, dass sie so schwer zu verstehen ist, dass kaum jemand sie ganz verstehen kann, ohne ein Gelehrter zu sein.

Und wenn wir als Christen sagen, dass wir unseren Glauben und unser Leben auf die Lehre der Heiligen Schrift gründen, sagen uns Kritiker oft etwas wie: «Die Bibel ist so unklar geschrieben, dass viele verschiedene Deutungen möglich sind; jeder legt sie so aus, wie es zu seinen Vorstellungen passt.»

Wenn man dann nachhakt und nach Beispielen fragt, wird oft klar, dass diese Leute diese Sätze einfach nachplappern. Oder aber sie haben wirklich einmal den Versuch unternommen, in der Bibel zu lesen und haben bald aufgegeben, weil sie nicht danach gesucht haben, das Wort Gottes so zu verstehen, wie es verstanden werden muss. Dazu werde ich später mehr sagen.

Zwinglis Bestreben, den Menschen ─ den nicht theologisch geschulten Laien ─ das Wort Gottes in ihrer Sprache zugänglich zu machen, so dass sie es selber lesen konnten, wurde vom Klerus der römischen Kirche mit Argwohn betrachtet. Sie argumentierten, dass es gefährlich sei, die Bibel in die Hände der Ungelehrten zu geben, weil diese das, was sie nicht verstehen können, verdrehen würden und dadurch eine Unordnung entstehen würde. Es brauche die Gelehrten der Kirche, die dem unverständigen Volk erklären, wie sie Gottes Wort verstehen müssen.

Dem widersprach Zwingli vehement. In seiner Schrift über die Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes zeigte er auf und bewies auch anhand von biblischen Beispielen, dass die Bibel sehr wohl von Laien verstanden werden kann. Mehr noch, er hielt es für absolut notwendig, damit sie eben erkennen können, ob das, was die Priester der Kirche lehrten, wirklich der Wahrheit entspricht und für sie somit verpflichtend ist.

Zwingli war deshalb nicht nur bemüht, in seinen Predigten das Wort Gottes so zu erklären, dass alle seinen Sinn verstanden und anwenden konnten. Er bemühte sich auch, den Leuten zu zeigen, wie sie selbst an die Bibel herangehen müssen, um ihre heilsame Wirkung zu erfahren.

Wir wollen im Folgenden den Spuren von Zwinglis Bemühungen nachgehen. Ich möchte meine Betrachtungen in drei Teile ordnen:

  1. Die Voraussetzungen: wie der Bibelleser eingestellt sein muss.
  2. Die Herangehensweise: wie wir die Bibel studieren sollten.
  3. Die Erfahrung: der Gewinn des geübten Umgangs mit der Bibel.

Die Voraussetzungen

Der Titel-Frage dieses Vortrags: «Wie kann ich Gottes Wort verstehen?», muss eigentlich eine andere Frage vorausgehen: «Wer kann Gottes Wort verstehen?» In einem Sinn gibt Zwingli seinen Gegnern darin Recht, dass Ungelehrte die Bibel nicht richtig verstehen können. Er meint aber nicht die Ungelehrten als theologische (oder philosophische) Laien, sondern diejenigen, die nicht von Gott gelehrt sind.

Das Wort Gottes ist von Gottes Geist eingegeben. Es muss auch geistlich verstanden werden. Das heisst, der Leser oder Hörer muss geistlich sein, damit er in einer geistlichen Haltung hören kann. Das sagt uns das Wort Gottes selbst (1. Korinther 2,14):

Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.

Als der Gelehrte Nikodemus in der Nacht zu Jesus kommt, wahrscheinlich um eine theologische Diskussion zu haben oder Fragen der Schrift zu erörtern, fängt er mit einem Bekenntnis an und sagt: «Wir wissen, dass du von Gott kommst, denn die Wunder, die du tust, weisen dich aus.» Jesus gibt darauf keine Antwort, sondern sagt nur: «Wenn jemand nicht von neuem geboren ist, kann er das Reich Gottes nicht sehen.»

Bevor Jesus mit diesem hochgelehrten Theologen ─ er nennt ihn «den Lehrer Israels» ─ über irgend eine Sache des Reiches Gottes sprechen kann, muss Nikodemus diese Voraussetzung erfüllen: er muss vom Geist Gottes geboren sein. Gottes Wort, das vom Geist Gottes kommt, wird nur von denen in seiner ganzen Bedeutung verstanden, die geistlich sind, die göttliche Natur teilen.

In diesem Sinn gibt Zwingli den Ball an die Theologen zurück, die behaupten, die Ungelehrten könnten (ohne ihre Hilfe) die Bibel nicht verstehen. Er sagt ihnen: ja, man muss gelehrt sein, aber nicht so wie ihr in den Philosophien der Welt, sondern von Gott gelehrt. Und das seid ihr nicht, weil ihr glaubt, ihr könntet mit menschlichem Verständnis die Tiefen des Wortes Gottes ergründen. Und dann schreibt er: «Merkt ihr jetzt, wie falsch ihr liegt? Ihr müsst theodidacti, das heisst von Gott, nicht von Menschen Belehrte sein.»

Wer das Wort Gottes verstehen und heilsamen Gewinn von seinem Studium haben will, muss in der rechten Verfassung sein, das heisst: geistlicher Natur teilhaftig. Das genügt Zwingli aber noch nicht. Der Leser braucht auch eine entsprechende Einstellung. Er muss demütig sein.

In der Zusammenfassung am Ende von «Klarheit und Gewissheit» schreibt Zwingli:

Jeder soll Gott inniglich anrufen, er möge in ihm den alten Menschen abtöten, der sich viel auf seine eigene Weisheit und sein eigenes Können einbildet. Wenn der alte Mensch getötet und ausgeleert ist, wo wolle Gott selber gnädig in ihn einströmen, so reichlich, dass der Mensch Gott allein glaubt und vertraut.

Da stehen der gelehrte Theologe und der Laie auf der gleichen Ebene vor Gottes Wort: Sie beide können sich nicht auf menschliche Klugheit und eigene Ideen und Vorstellungen verlassen, wenn sie lesen und studieren, und die Bibel verstehen wollen. Zwingli gibt weiter den Rat:

Wenn du eine Sache erkennen und über sie reden willst, sprich bei dir: Bevor ich über etwas urteilen oder mir etwas von anderen Menschen erklären lassen will, will ich zuerst mit Psalm 85,9 hören, was der Heilige Geist dazu zu sagen hat: «Ich will hören, was der Herrgott zu mir reden will.» Erflehe mit Andacht Gottes Gnade, dass er dir seinen Geist und Sinn gebe, damit du nicht deine, sondern seine Meinung erfassest. Habe aber festes Vertrauen, er werde dir das rechte Verständnis mitteilen, denn alle Weisheit kommt ja von Gott dem Herrn. Mit solchem Vertrauen mache dich über die evangelischen Schriften.

Die Demut zeigt sich in dem Bewusstsein, dass nicht der Leser, der sich klug vorkommt, durch menschliche Gelehrtheit, sondern allein der Autor der Schrift, der Heilige Geist, ihren Sinn erklären kann. Es ist Gottes Gnade, dass er zu uns spricht und dass wir seine Worte in ihrer ganzen Tiefe verstehen. Der angeborene menschliche Hochmut steht dazu im Weg.

Zur demütigen Haltung beim Lesen und Studieren gehört auch, dass wir die Heilige Schrift als das lesen, wozu sie gegeben ist. Das erklärt uns die Bibel selbst an einer Stelle, die Zwingli auch gern zitierte (2. Timotheus 3,16-17):

Jede von Gott eingegebene Schrift ist nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit. So wird der Mensch Gottes vollkommen sein, befähigt zu jedem guten Werk.

Was wir in der Bibel suchen sollen, von ihr lernen sollen, ist nicht intellektuelle oder philosophische Weisheit, mit der wir uns über andere, Unwissende, stellen können. Sondern wir sollen ihre Hilfe suchen, um Gott besser zu erkennen, Anweisung und Erziehung zu erhalten, damit wir ihn in der Weise anbeten können, wie er es von uns will und ein Leben führen können, das ihn ehrt.

Unsere Lernwilligkeit soll auf ein verändertes Leben nach Gottes Willen konzentriert sein, nicht auf Ansammlung von Wissen. Dazu brauchen wir die Bereitschaft, zu hören um zu gehorchen. Jesus sagte, als der jüdische Klerus seine Gottessohnschaft bestreiten wollte und behauptete, dass sein Wort nicht von Gott kommt (Johannes 7,17):

Wer seinen Willen tun will, wird erkennen, ob meine Lehre von Gott ist.

All diese Haltungen haben eines gemeinsam: Der Leser stellt sich mit seinem Studium unter, nicht über die Schrift. Zwingli sagt: er schleicht nicht wie die Katze um den Brei und sagt «ich will sehen, wie ich dieses Buch benutzen kann, damit es mir Vorteile bringt oder damit ich mich dadurch bereichern kann», sondern er fragt danach, wie er der Lehre Gottes anhängen und sie erhöhen kann.

Der so geneigte Leser sucht diese Lehre Gottes an keinem anderen Ort als allein in der Heiligen Schrift. Er weiss: allein die Schrift hat die Autorität, uns zu sagen, was wir glauben und wie wir vor Gott leben sollen. Und die Heilige Schrift ist auch vollkommen genügend, um uns in diese Dingen zu belehren und anzuleiten. Zwingli schreibt:

Das Wort Gottes soll von uns in höchsten Ehren gehalten werden. Als Wort Gottes sollst du nur anerkennen, was aus seinem Geist kommt. Keinem anderen Wort soll so geglaubt werden wie diesem. Es ist klar, lässt niemanden im Dunkeln tappen, es legt sich selbst aus und öffnet selbst das Verständnis. Es erhellt die menschliche Seele mit allem Heil und allen Gnaden, füllt sie mit Gottvertrauen, demütigt sie, dass sie sich selbst verliert, ja verwirft und Gott in sich aufnimmt.

Wenn Zwingli dieses Prinzip immer wieder betont, sagt er dabei aber nicht, dass wir nicht auch kirchliche Hirten und Lehrer befragen sollen, dass sie uns mit ihren Erklärungen helfen, die Bibel besser zu verstehen und im Leben umzusetzen. Jemanden, der fragt: “soll ich denn nicht meinen Prediger und Lehrer befragen?» gibt er zur Antwort: “Der Mensch, der dich nach seinem Sinn lehrt und nicht nach Sinn und Willen Gottes, der lehrt dich falsch, wer er auch sei. Unterweist er dich aber allein nach dem Wort Gottes, so unterweist nicht er dich, sondern Gott ihn.

Soviel zu den persönlichen Voraussetzungen (Haltung) für das Verständnis des Wortes Gottes. Lasst mich nun einige Dinge darüber sagen, wie wir denn mit geistlichem Gewinn an das Studium der Bibel herangehen.

Die Herangehensweise

Wie, in welcher Form sollten wir denn das Wort studieren, damit wir in seinem Verständnis wachsen können und wir seine heilsame Kraft erfahren? Oder anders gesagt: Welche Fragen stellen wir? Wie vermeiden wir Stolpersteine oder Fehlleitungen im Verständnis?

Das sind grosse Fragen, die wir heute nicht alle umfassend beantworten können. Die Lehre, die sie beantwortet, nennt man Hermeneutik. Die Lehre vom Verständnis und der Auslegung der Bibel. Zwingli hat soviel ich weiss, keine seiner Schriften dieser Lehre gewidmet. Spätere Reformatoren haben uns mehr dazu hinterlassen.

Ich werde darum nicht Zwinglis Lehre zum richtigen Bibelstudium oder Zitate aus seinen Anleitungen wiedergeben können. Was ich aber tun will, ist einige wichtige Prinzipien für das Bibelverständnis aufzählen. Prinzipien, die Zwingli offensichtlich in seinen Predigten und Schriften anwandte.

Mit Zwingli bin ich überzeugt, dass es Hirten und Lehrer braucht, die das Volk Gottes im Verständnis von Gottes Wort anleiten und sie tiefer hinein führen. Niemand kann mit einer Bibel auf eine einsame Insel gehen und sie dort für sich allein lesen und auf Anhieb alles verstehen. Aber dennoch ist das Wort Gottes in einer Form gegeben, dass es uns einfach und verständlich Gottes Absichten und seinen Willen kundtut.

Was wir in der Bibel lesen, ist im Grossen und Ganzen in einem einfachen Sinn gegeben, das heisst, wir können es so nehmen, verstehen und umsetzen, wie es dasteht. Das heisst nicht, dass wir jeden einzelnen Vers im buchstäblichen Sinn nehmen sollen. Wenn wir in einem Vers eine Lehre oder Aussage finden, ist es immer gut und notwendig, sie mit anderen Aussagen zu derselben Sache zu vergleichen. Der Zusammenhang des Abschnittes, des Buches, des Testaments, der ganzen Bibel muss immer beachtet werden.

Ich nehme dazu gern die Gebetsverheissungen als Beispiel. Wenn der Herr an einer Stelle sagt: «Alles, worum ihr bittet, werdet ihr erhalten.» ─ dann sollten wir wissen, dass damit nicht absolut alles, was wir uns vorstellen können, gemeint ist. Denn an anderen Stellen werden uns Bedingungen oder Begrenzungen genannt. «Wenn es Gottes Willen entspricht», «Wenn ihr glaubt», «Wenn ihr in meinem Namen bittet». Jakobus schreibt, dass wir um Weisheit für ein Gott gefälliges Leben bitten sollen, und sie wird uns gegeben. Er schreibt ausserdem: «Ihr bittet und bekommt es nicht, weil ihr übel bittet.»

Dann gibt es auch die schwierigeren Stellen, die für sich allein nicht einfach zu verstehen sind. Luther nannte sie die dunklen Stellen. Diese solle man mit den hellen Stellen erklären. Auch hier ist der Zusammenhang der ganzen Schrift hilfreich und notwendig. Wenn der Herr Jesus zum Beispiel sagt, man müsse sein Fleisch essen und sein Blut trinken. Um diese symbolische Rede zu verstehen ─ was er damit meint ─ müssen wir den Rest der Bibel zu Rate ziehen und daraus lernen, was sein Fleisch und sein Blut für eine Bedeutung für unser Heil haben.

Wir müssen beim Lesen der Bibel auch lernen, die Gattungen zu unterscheiden. Die Bibel besteht aus unterschiedlichen Büchern, die wir nicht auf die genau gleiche Weise lesen und verstehen können. So wie wir ein historisches Buch, ein Lexikon, einen Roman, ein Telefonbuch, ein Gedichtbuch, usw. nicht auf die gleiche Weise lesen. Die Bibel besteht aus Beschreibung der Geschichte Gottes (mit Erklärungen), aus Geboten und Anweisungen, aus Prophetie, aus Poesie, usw. All das müssen wir zunächst als das nehmen und verstehen, was es ist. Und immer lernen wir aus der Zusammenhang mit den übrigen Büchern, welche Bedeutung es für unser Leben hat.

Der Zusammenhang ist auch höchst wichtig, wenn wir in einem der beiden Testamente lesen. Beide, Altes und Neues Testament sind nicht ohne das andere zu verstehen. Die beiden Testamente zeichnen die sogenannte heilsgeschichtliche Entwicklung auf. Das heisst, dass Gott durch die Testamente hindurch eine Spur gelegt hat; er offenbart sein Heil fortlaufend und zunehmend.

Von Anfang an offenbart er seine Absicht mit dem Bund, den er gestiftet hat, in dem er verspricht: «Ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein.» Er beschreibt den Abfall des Menschen von ihm, seine Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit, verspricht den Erlöser und offenbart nach und nach, in zunehmendem Mass, wie der Erlöser sein wird und wer er ist.

Der versprochene Christus ist das Thema und der Schlüssel für das Verständnis dieses Zusammenhangs. Der Christus ist nicht erst im Neuen Testament zu finden. Der Herr selbst und auch die Apostel verkünden ihn aus dem Alten Testament. Als der auferstandene Jesus auf dem Weg nach Emmaus den zwei entmutigten Jüngern begegnet, erklärte er ihnen anhand des Alten Testaments sein Heil, sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung.

Der Apostel Paulus verkündet an verschiedenen Stellen, dass der Christus im Alten Testament zu finden ist (2. Timotheus 3,15):

Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und voller Vertrauen angenommen hast. Du weisst ja, von wem du es gelernt hast und dass du von frühester Jugend an die heiligen Schriften kennst, die dir Einsicht zu geben vermögen in das, was dir Heil verschafft, durch den Glauben an Christus Jesus.

Die heiligen Schriften, die Timotheus von Jugend an kennt, ist das Alte Testament. Und den Ephesern, die nicht Juden sind, schreibt er (Epheser 2,11-12):

Denkt daran, dass ihr einst als ‹Heiden im Fleisch› galtet, ‹Unbeschnittene› genannt wurdet von den sogenannt Beschnittenen … dass ihr damals fern von Christus wart, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremdlinge, nicht einbezogen in die Bundesschlüsse der Verheissung, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt.

Weil die Heiden ausgeschlossen waren vom Bürgerrecht Israels, waren sie fern von Christus. Das heisst doch, dass die Israeliten damals schon Christus hatten. Natürlich hauptsächlich in schattenhafter Form der Verheissungen. Auch die Korinther erfahren dasselbe. Paulus schreibt ihnen von den Vätern, die durch die Wüste ins verheissene Land wanderten (1. Korinther 10,3-4.9):

Alle assen dieselbe geistliche Speise, und alle tranken denselben geistlichen Trank; denn sie tranken aus einem geistlichen Felsen, der mit ihnen zog; der Fels aber war Christus. … Lasst uns Christus nicht versuchen, wie einige von ihnen es getan haben.

Christus ist da im Alten Testament; in Typen und Symbolen. Wir brauchen die vorbereitende Offenbarung des AT um die erfüllte Offenbarung im NT vollkommen zu verstehen. Und umgekehrt. Das Neue Testament erklärt die Bedeutung der schattenhaften Offenbarung im Alten. Diese Beziehung der Testamente zueinander müssen wir lernen, zu verstehen. Und wir müssen auch lernen, den Unterschied zwischen ihnen zu verstehen. Wir müssen zum Beispiel erkennen, dass viele Gebote des Alten Testaments aufgehoben sind, weil sie im gekommenen Christus erfüllt sind.

Die Erfahrung

Ich habe hier vieles nur anklingen lassen. Diese Beispiele zeigen zumindest, so hoffe ich, dass wir das Wort Gottes nicht in einem Monat, auch nicht in einem Jahr umfassend verstehen. Dazu werden wir den Rest unseres Lebens brauchen. Ja, wir dürfen den Rest unseres Leben dran bleiben, dieses wunderbare Geschenk auszupacken.

Ein geübter Umgang bringt ein immer tieferes Verständnis der Bibel. Je mehr ich lerne, je mehr ich im Gedächtnis behalte, desto mehr kann ich gebrauchen, um die Zusammenhänge zu verstehen und einzuordnen. Und desto mehr wird es mein Leben von innen heraus verändern. Dazu noch einmal Zwingli aus seiner Schrift über die Klarheit und Gewissheit der Schrift:

Je länger der göttliche Sinn im Verstand des Menschen herausgearbeitet und bewegt wird, desto tiefer schlägt er seine Wurzeln in das Herz.

Je mehr wir das Wort Gottes studieren und davon verstehen, desto mehr wächst auch unsere Liebe zu ihm, zu dem Geber seines Wortes. Und das wird uns ein verändertes Leben bescheren. Dazu zum Schluss aus Zwinglis Zusammenfassung (aus Klarheit und Gewissheit):

Spürst du, wie Gottes Wort dich erneuert und du anfängst, Gott mehr zu lieben als ehedem, so lange du Menschenlehren hörtest, so sei gewiss: Gott hat das bewirkt. Spürst du, dass dir die Gnade Gottes und das ewige Heil zur Gewissheit werden, so ist das von Gott. Spürst du, wie das Gotteswort dich klein und zunichte macht, während Gott in dir gross wird, so ist das aus Gott gewirkt. Spürst du, wie die Furcht Gottes dich mehr und mehr erfreut statt betrübt, so ist das ein sicheres Zeichen, dass Gottes Wort und Geist in dir wirken. Diesen Geist wolle Gott uns geben! Amen.