Wo findet deine Seele Ruhe?

Wo findet deine Seele Ruhe?

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Bevor wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, wo unsere Seele Ruhe findet, sollten wir uns einige Gedanken darüber machen, warum wir uns diese Frage überhaupt stellen müssen. Die meisten Menschen würden doch von sich behaupten, dass es ihnen ganz gut gehe. Jene Mitmenschen, denen ich begegne, wissen eben nicht, was mit ihnen nicht stimmen sollte, was ihnen fehlen könnte. Gott ist grossartig. Er lässt uns eben nicht in Frieden. Ohne ihn finden wir keine Ruhe.

Keine Ruhe ohne Gott

Im Buch Prediger heisst es (Prediger 1,2-4): „O Nichtigkeit der Nichtigkeiten! spricht der Prediger. O Nichtigkeit der Nichtigkeiten! Alles ist nichtig! Was bleibt dem Menschen von all seiner Mühe, womit er sich abmüht unter der Sonne? Ein Geschlecht geht und ein anderes Geschlecht kommt; die Erde aber bleibt ewiglich!“ Im Verlauf des Buches fährt der Prediger weiter und er beschreibt, dass der Kreislauf des Lebens ganz und gar nichtig ist. Die Sonne geht auf und sinkt, die Winde wehen hin und her, die Flüsse fliessen ins Meer und alles ist schon einmal passiert. Es gibt nichts, was irgendein Mensch auf dieser Welt zum ersten Mal erlebt haben wird. Die menschliche Weisheit ist nichtig. Die Wissenschaft, auf die wir seit der Renaissance so stolz sind, verändert letzten Endes nichts. Was krumm ist, kann man nicht gerade machen. Und unzählige Dinge wissen wir trotz aller Anstrengungen immer noch nicht. Die irdischen Freuden sind nichtig. Es sich gut gehen lassen mit Wein und Essen wird bald vergehen. Sich selbst verwirklichen bedeutet am Ende nichts. Es ist im Buch der Prediger von grossen Bauten die Rede, von grossen Unternehmungen und Wohlstand. Die Menschen streben danach, sich Knechte und Mägde leisten zu können und Rinder, Schafe, Silber und Gold zu gewinnen. Es ist von Wollust die Rede. Sexuelle Abenteuer werden genossen. Am Ende kommt aber der Tod, der alle Arbeit und Freuden zunichtemacht.

Die Bibel sagt uns so klar, dass alles vergehen wird. Aber warum sehen wir das nicht? Statt uns vom Vergänglichen abzuwenden, hängen wir unser Herz daran. Lieben wir nicht oft unsere Arbeit? Verwirklichen wir uns nicht sogar in ihr und glauben, dass wir damit einen ganz persönlichen und hoffentlich sogar einen überragenden Beitrag zu leisten vermögen? Wir denken nicht daran, dass unser Name bald vergessen sein wird. Wer von uns weiss noch, wie sein Urgrossvater hiess? Und die, die das noch wissen: Wer weiss noch, wer sein Ur-Urgrossvater war? Und schon merken wir, dass sogar in der eigenen Familie das Wissen kaum vier Generationen zurückgeht. Und alle anderen historischen Figuren sind nur so lange und nur auf die Weise bekannt, wie das von den jetzt lebenden Personen gewollt wird. Wieso sehen wir das nicht? Weil es in unserer sündhaften Natur liegt, es nicht zu sehen.

Ist euch auch schon aufgefallen, wie schwer es den Menschen fällt, sich dieser Tatsache zu stellen. Wenn wir jemandem das Evangelium näherbringen wollen, haben wir diese erste Hürde zu überwinden: Die Menschen müssen sich eingestehen, dass ihnen etwas fehlt. Die Fälle, wo jemand von sich aus merkt, dass etwas nicht stimmt und von sich aus nach einem tieferen Sinn sucht, weil er oder sie keinen Frieden findet, sind irgendwie einfach. Dann kann man direkt das Evangelium bezeugen und vom Sinn des Lebens erzählen, der in der Bibel offenbart wird. Aber die Mehrheit der Menschen, mit denen ich rede, die merken es gar nicht, oder verdrängen es ganz gut, dass irgendetwas nicht stimmt.

Die Unruhe der Sünde

Ich werde als Nächstes vor allem darauf eingehen, was Sünde ist und was sie mit uns gemacht hat, damit wir verstehen können, warum wir überhaupt einen Ort des Friedens suchen müssen. Dann können wir besser verstehen, obwohl wir uns das selbst kaum eingestehen wollen, dass irgendwas nicht stimmt. Dazu möchte ich auf den Urzustand zurückgreifen.

Am Anfang der Welt, als Gott die Welt schuf, schuf er die Tiere, die Pflanzen und die Menschen. Es heisst im ersten Buch Mose (1. Mose 1,27): „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie.“ Und später heisst es (1. Mose 1,31): „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte; und siehe, es war sehr gut.“ Gott und die Menschen waren vereint. Das war der Urzustand. Gott war mit dem Menschen und das war sehr gut. Das bedeutet, dass damals alles dem Willen und dem Wesen des Schöpfers entsprach. Mit Gott vereint zu sein heisst, mit dem Ewigen verbunden zu sein, mit dem Heiligen, mit dem Quell allen Lebens. Damals fehlte den Menschen nichts, weder körperlich noch geistlich. Dieser Urzustand war eine Welt mit einem absoluten Anknüpfungspunkt. Gott, der ewige, der sich eben nicht ändert, ist der absolute Wert – absolut heilig, absolut gerecht, aber auch absolute Güte, absolute Liebe, Gnade und Treue. Gott ist absolut die einzige Quelle von absolut allem, bis in die Unendlichkeit und Ewigkeit. Diese absolute alles umschliessende Quelle des Lebens war mit uns. In ihr, in Gott, hatten wir Zugang zu allem, was wir brauchten.

Ich muss hier noch anfügen, dass durch diesen Anschluss an die ewige Quelle des Lebens, wir für die Erfüllung aller unserer Bedürfnisse, nicht darauf angewiesen waren, irgendetwas für uns selbst zu besitzen. Wir mussten nichts unser Eigentum nennen, um leben zu können. Schliesslich hatten wir in und mit Gott alles. Die Rolle, die uns Gott auf dieser Welt gab, gleicht denn auch jener eines sogenannten Sachwalters, nicht der des Eigentümers. Es heisst nach der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 2,15): „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre.“ Es ist nicht von einem Eigentümer die Rede. Es ist auch nicht davon die Rede, dass wir mit der Schöpfung, die uns Gott in unsere Hände gab, alles machen können, was wir wollen. Es ist davon die Rede, dass wir bebauen und bewahren sollen. Wie ein Sachwalter sollten wir diesen Garten nutzen, einsetzen und erhalten. In der Schweiz definiert das Zivilgesetzbuch den Begriff des Sachwalters als einen Verwalter eines Sammelvermögens. Er steht eben in klarer Abgrenzung zum Eigentümer des Vermögens. Wir gehen später noch einmal auf das Bild des Sachverwalters ein. Das war der Urzustand des Menschen. In diesem Zustand mussten wir uns nicht auf die Suche begeben nach einem Ort des Friedens.

Der Urzustand blieb nicht bestehen. Die Bibel berichtet vom Sündenfall. Der Mensch sündigte. Er wandte sich von Gott ab. Er ass von der verbotenen Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Es heisst (1. Mose 3,6): „Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre, und dass er eine Lust für die Augen und ein begehrenswerter Baum wäre, weil er weise macht.“ Haben wir uns schon einmal gefragt, was daran so schlimm sein soll? Was hat Gott dagegen, wenn wir etwas weiser werden? Was stört Gott, wenn wir genauso wie er zwischen Gut und Böse unterscheiden können?

Der Schöpfer gab uns Menschen eine bestimmte Rolle. Er erlaubte uns, in dieser Rolle über die von ihm geschaffene Welt zu herrschen. Es heisst (1. Mose 1,26): „Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich: die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde, auch über alles Gewürm, das auf der Erde kriecht!“ Und an einer anderen Stelle heisst es (1. Mose 2,19): „Und Gott der Herr bildete aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und brachte sie zu dem Menschen, um zu sehen, wie er sie nennen würde, und damit jedes lebendige Wesen den Namen trage, den der Mensch ihm gebe.“ Hier kommt die Rolle zum Ausdruck, die Gott für den Menschen vorgesehen hatte. Es war ein Vorrecht, Dinge beim Namen zu nennen. Wir entscheiden damit über die Identität der uns Untergebenen. Wenn wir uns überlegen, dann ist es noch heute so, wie es schon immer war: Namen stiften Identität. Ich möchte heute darauf nicht gross eingehen. Nur so viel: Könige und Päpste wechseln noch heute ihren Namen, sobald sie ihr Amt antreten. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass sie beim Antritt in ihren Dienst eine neue Identität bekommen. Demokratisch gewählte Präsidenten tun das nicht, weil ihr Amt in der Regel zeitlich begrenzt ist. Sie bleiben Vertreter des Volkes. Auch in der christlichen Tradition finden wir das: Durch die Taufe wird angedeutet, dass wir eine neue Identität angenommen haben. Bei Kindern ist die Taufe auch heute noch irgendwie mit der Namensgebung verbunden.

Aber wir vergessen, dass die Rolle, die Gott den Menschen nach der Schöpfung zugestand, nie eine absolute Rolle war. Die Geschöpfe sollten immer nur eine relative Herrschaft ausüben. Im Auftrag Gottes sollten wir über die Welt herrschen, die er erschuf. Es ginge heute zu weit, genau auszuführen, weshalb Gott den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen überhaupt in den Garten pflanzte. Wir könnten einwenden, dass er ihn doch ganz einfach hätte weglassen können. Gott hätte uns die Wahl ersparen können. Auf diese Weise hätte sein Geschöpf keine Möglichkeit gehabt zu sündigen. Für diesen Vortrag nehmen wir einfach einmal an, dass die Möglichkeit, dass der Mensch sündigt, zu Gottes Ratschluss gehört. Für Gottes Urteil, dass die Welt gut sei, gehörte es dazu, dass sein Geschöpf ihm ungehorsam werden konnte. Gerade in der Auseinandersetzung mit dieser verbotenen Frucht wurde deutlich, dass die Menschen innerhalb eines gewissen Rahmens herrschen sollen. Wir waren über die Schöpfung gestellt, solange wir in ihm waren und ihm gehorchten. Das ist das, was ich mit relativer Rolle meine. Unsere Herrschaft und alles, was wir von ihm hatten, war von Gott abhängig. Das einzige Gebot, das der Menschen befolgen musst, war, nicht von diesem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen. Es steht dazu (1. Mose 2,16-17): „Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du nach Belieben essen; aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon isst, musst du gewisslich sterben.“

Irgendetwas schien unsere Vorfahren an dieser relativen Rolle nicht gefallen zu haben. Sie strebten nach mehr und wollten sein wie Gott. Sie wünschten sich, vom Schöpfer unabhängig sein. Und so gelang es der Schlange, sie zu verführen. Es steht (1. Mose 3,5): „Sondern Gott weiss: An dem Tag, da ihr davon esst, werden euch die Augen geöffnet, und ihr werdet sein wie Gott und werdet erkennen, was gut und böse ist!“ Noch einmal: Was genau hat Gott für ein Problem damit, wenn wir erkennen, was gut und was böse ist? Ist es denn nicht gut, wenn wir ohne Gott zwischen Gut und Böse unterscheiden können? Genau wie die Namensgebung ein Zeichen der Herrschaft ist, die Gott dem Menschen überantwortete, ist die Unterscheidung ein Ausdruck des Richteramtes. Das wiederum ist der höchsten Instanz vorbehalten. Die Menschen aber wollten sich nicht unterstellen. Das wird in den Worten der Schlange deutlich, die der Frau versprach, nach dem Essen wie Gott sein zu können. Unabhängig von Gott unterscheiden zu können, was gut und was böse ist, würde die relative Herrschaft in eine absolute verwandeln. Selbst entscheiden zu können, was gut und böse ist, würde uns erlauben, entgegen dem Urteil des Schöpfers, etwas Gutes für böse und etwas Böses für gut zu erklären. Was geschah dann? Es ist ein wenig ironisch: Gottes Strafe besteht darin, dass die Menschen genau das erhalten, was sie sich wünschten. Wir wollten von Gott unabhängig sein und alles ohne ihn tun können. Genau dazu verdammt Gott sein Geschöpf.

Die Auswirkungen des Sündenfalls

Wir kommen nun zum Teil des Vortrages, wo wir uns der Frage nähern, die wir uns in der Einleitung gestellt haben: Wieso stellen wir uns die Frage nach dem Seelenfrieden? Was genau stimmt mit uns nicht? Der Mangel unseres irdischen Daseins ist, dass wir dazu verdammt sind, ein Leben ohne Gott zu führen. Es entspricht unserer sündigen Natur, ohne unseren Schöpfer leben zu wollen. Wie die ersten Menschen so streben wir heute immer noch danach, alles ohne Gott zu verwirklichen. Unser Leben möchten wir ohne Gott gestalten. Wir wollen uns nur auf uns und nicht auf Gott verlassen, der über uns steht. Ja, unabhängig und selbstbestimmt soll unser irdisches Dasein sein.

Die Bibel erzählt uns, wie die Menschen aus dem Garten Eden vertrieben wurden, weg von der Gemeinschaft mit Gott. Zunächst gab es keinen Weg zurück. Gott liess Eden durch einen Cherubim bewachen. Der Weg zum Paradies ist seither gänzlich unzugänglich für uns. Der Mensch verlor den Anschluss an den einzigen absoluten Wert. Fortan sollte unsere eigene Arbeit unser Leben und unseren Fortbestand sichern. Es heisst dazu (1. Mose 3,16.17-19): „Und zur Frau sprach er [Gott]: Ich will die Mühen deiner Schwangerschaft sehr gross machen: mit Schmerzen sollst du Kinder gebären. Und zu Adam sprach er: Weil du der Stimme deiner Frau gehorcht und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir gebot und sprach: ‚Du sollst nicht davon essen!‘, so sei der Erdboden verflucht um deinetwillen! Mit Mühe sollst du dich davon nähren dein Leben lang: Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Gewächs des Feldes essen. Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zurückkehrst zum Erdboden; denn von ihm bist du genommen. Denn du bist Staub, und zum Staub wirst du wieder zurückkehren!“ Bei der Geburt unseres zweiten Sohnes wurden wir von einer Hebamme betreut, die kein Deutsch sprach. Dabei ist mir aufgefallen, dass das englische Wort für Wehen auf Deutsch übersetzt Arbeit und Mühe bedeutet. Das passt gut zur Strafe, die Gott auf die Menschen legte. Jede Form von Arbeit, jede Mühe, jeder Schmerz sollte uns fortan immer wieder vor Augen führen, dass uns etwas fehlt. Wir haben den glückseligen Urzustand verloren, weil wir vom Anschluss an die ewige Quelle getrennt sind.

Bei der Schöpfung hiess es, dass Gott den Menschen in seinem Bild schuf. Deshalb merken wir manchmal, dass es noch etwas in uns gibt tief in uns, das an ein höheres Bild erinnert. Wenigstens einen Teil einiger von Gottes Eigenschaften tragen wir noch in uns. Deshalb steckt irgendetwas in uns, was uns noch heute nach dem Unendlichen, dem Ewigen, nach Gerechtigkeit, Güte und Liebe streben lässt. Aber wir meinen bis heute, dass wir das ausserhalb von Gott finden können. Genau dieses Dilemma zeichnet uns Menschen aus: Wir streben nach dem Unendlichen. Wir wollen selbst unendlich lange leben, wir wollen unendlich stark sein, unendlich schön sein, unendlich reich sein, möglichst viel besitzen, unendlich geliebt werden. Wir suchen uns den Wunsch überall zu erfüllen, ausser bei dem einen Unendlichen. Die Verhaltensökonomie beginnt meistens in der allerersten Vorlesung mit dem Gedanken, dass unsere Welt durch die Knappheit der Ressourcen bestimmt werde. Alles in unserem Leben dreht sich nur darum, wie die Menschen mit dieser Begrenzung umgehen. Alles wird darüber definiert, ob wir es im Überfluss besitzen, oder ob es rar ist. Diamanten wären wohl günstiger, wenn es sie wie Sand am Meer gäbe und man sie finden könnte wie Kieselsteine, draussen auf dem Gehsteig. Unser Leben ist deshalb so kostbar, weil es so kurz ist und uns bewusst wird, dass wir vergänglich sind.

Das Streben nach der Unendlichkeit hat auch noch einen anderen Nebeneffekt: Es gibt kein Genug mehr. Nichts ist zuviel. Nichts ist so gut, so schön und so lang, dass es uns dauerhaft befriedigen könnte. Wir gewöhnen uns so schnell an alles. Darum brauchen wir immer mehr. Wir wollen immer reicher sein und immer schöner werden. Die Welt scheint uns in diesen Absichten in jeder Hinsicht zu unterstützen. Alles, was wir tun und lernen, ist darauf ausgerichtet, dass wir besonders viel erreichen können. Weil uns aber der absolute Fixpunkt fehlt, nehmen wir mit einer relativen Skala vorlieb. Durch diesen Verlust fehlt uns das Gefühl, genug zu haben. Weil ich immer mehr und mehr brauchen werde, ist ein echter Weltfriede, wie ihn gewisse Utopisten anstreben, nicht mehr möglich. Weil jeder von uns möglichst viel für sich haben will, in einer Welt, in der ohne Gott alles begrenzt ist, werden wir uns immer um alles streiten. In manchen Kulturen ist das offensichtlicher und kompetitiver, wie in der chinesischen, aus der ich komme. Dort wachsen die Kinder in dem Bewusstsein auf, dass das ganze Leben ein Vergleich ist. Du musst früher als die Kinder der Freunde deines Vaters gehen lernen. Du musst früher sprechen können. In der Schule musst du die besten Noten schreiben. Du musst den besten Job haben und mehr verdienen als deine Mitbewerber. Du musst die schönere Frau haben, und so weiter. Diese Haltung ist in der chinesischen Kultur sehr ausgeprägt. In manchen Kulturen, wie etwa in der Schweiz, ist dieses Streben etwas subtiler. Hier trägt man den Wettbewerb nicht offen zur Schau. Aber auch hier gilt: Ich bin mir selbst am wichtigsten und zuerst müssen meine eigenen Bedürfnisse befriedigt werden. Ein Beispiel, wo man dann hört, dass man doch besser dasteht als andere und sich nicht herablassen möchte, ist die Flüchtlingsdiskussion. So heisst es heute wieder wie vor sechzig Jahren: „Das Boot ist voll!“ Man fragt sich jetzt vielleicht: Wieso erlaube ich mir eine solche Bemerkung von einem Land, das doch in Sachen Spendefreudigkeit an der Weltspitze steht? Und genau diese Frage führt zum nächsten Punkt.

Unerreichbarer Friede

Der Fluch in Gottes Strafe besteht darin, dass wir nach dem Guten, nach dem Vollkommen und dem Ewigen streben, es aber ausserhalb einer Beziehung mit Gott erreichen versuchen. Das verdammt uns, dass wir uns ständig nur auf uns selbst verlassen müssen. Natürlich verstärkt das wiederum unsere Gier und unsere Selbstliebe und führt uns in einen Teufelskreis, in dem alles immer schlimmer wird. Martin Luther hatte genau diese Erfahrung: Er hatte seelisch keinen Frieden. Er merkte, dass wir niemals Ruhe finden können, wenn wir uns auf uns selbst verlassen müssen. Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach Abhilfe. Wir wählen etwas, was uns mindestens ein oberflächliches Gefühl von Sicherheit geben kann.

Thesen 94-94

Genau hier komme ich noch einmal auf das Bild des Sachwalters zurück. Das Verständnis des Sachwalters haben manche von uns schon lange aufgegeben. Der grosse Unterschied zwischen uns heute und den Menschen vor dem Sündenfall ist doch, dass wir jetzt besitzen wollen. Wir können uns nicht damit begnügen, die Dinge der Erde zu verwalten. Es soll uns und ausschliesslich uns gehören. Wir sind Sünder und als solche von Gott getrennt. Wir sind darum auf uns allein gestellt. Doch ohne jede Form von Sicherheit können wir nicht leben, können wir keine Ruhe finden. Deshalb wollen wir besitzen und nicht nur verwalten. Weil alles, was uns gehört, uns letzten Endes doch keine Sicherheit bietet, streben wir immer nach mehr. Wir kämpfen gegen die Vergänglichkeit an, indem wir möglichst viel Vergängliches für uns haben wollen. Ohne Bezug auf einen absoluten Fixpunkt beziehen wir uns auf das Relative. Darum meinen wir mehr haben zu müssen, besser sein zu müssen als die anderen und beliebter sein zu müssen als die anderen. Wer heute auf dem Markt erfolgreich sein will, muss den Menschen genau das bieten. Er muss das Gefühl vermitteln, durch sein Produkt sich von den anderen abheben zu können, besser sein zu können, mehr Likes zu gewinnen. Genau wegen dieser Situation sagt uns die Bibel, zum Beispiel im Buch Prediger, dass alles nichtig ist. Wie tollkühn ist es doch, dass wir nach all dem streben, aber ausserhalb von dem einzig wahren Gott, der einzigen Quelle alles Seins, dem einzigen absoluten Wert, bleiben wollen.

Ausweg aus und Hoffnung in der Unruhe

Dass es in der Welt so viele Religionen gibt, ist ein Hinweis dafür, dass es im Menschen eine Ahnung gibt, dass ihm irgendetwas fehlt. Aber die meisten Religionen lösen sich nicht vom urmenschlichen Fehler, es immer wieder auf die eigene Faust zu versuchen. Sie geben deshalb nur scheinbar eine Antwort auf die Frage, was man tun muss, um das ewige Leben zu erlangen. Die Bibel gibt uns viele Beispiele davon. Eines davon steht im Matthäus 19. Dort ist von einem Jüngling die Rede, der zu Jesus eilt und fragt: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu haben?“ Die Frage nach dem Tun impliziert, dass ich selbst das Heil erreichen kann. Das Positive an dieser Geschichte ist, dass dem Jüngling offenbar klar ist, dass er etwas braucht. Wenn die Lage, in der wir uns befinden, sich nicht ändert und es nicht irgendeinen Ausweg gibt, dann sehe es düster aus für uns. Zur Überraschung des Jünglings gibt Jesus ihm nicht die Antwort, die er erwartet, sondern zuerst einen Hinweis auf das, was wirklich zählt im Leben. Er heisst (Matthäus 19,17): „Er aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut, als Gott allein.“ Damit deutet Jesus auf das, auf das wir auch heute kommen werden: Ruhe und seelischen Frieden werden wir nur bei Gott finden.

Wir müssen uns auf den Urzustand besinnen und alles aus dem Weg schaffen, was zwischen uns und Gott steht. Jesus erinnerte den Jüngling an die Gebote und sagte ihm, dass er die Menschen lieben soll. Und Jesus sagt, dass wir die Menschen lieben sollen, weil wir Gott lieben sollen. Den reichen Jüngling fordert er auf, sich von seinem ganzen Hab und Gut zu trennen, um ihm zu zeigen, dass Gottes Gebot nicht aus eigener Kraft erfüllt werden kann. Jeder Mensch liebt sich selbst zu stark und Gott zu wenig. Nach diesem Vorfall gab es noch eine kleine Nachbesprechung, in der Jesus und die Jünger die Frage des Jünglings diskutierten. Und als den Jüngern bewusst wurde, wie schwierig es ist, das ewige Leben zu gewinnen, entsetzen sie sich und fragen: „Wer kann überhaupt gerettet werden?“ Jesus antwortete ihnen: „Bei den Menschen ist das unmöglich, aber Gott sind alle Dinge möglich.“ Genau hier kommen wir zum Evangelium. Es ist einer der unzähligen Hinweise in der Bibel, dass unsere Rettung ganz viel mit unserer Sünde zu tun hat. Wir müssen endlich lernen, nicht mehr auf uns selbst, sondern ausschliesslich auf Gott zu vertrauen. Es gibt nichts, was wir aus eigener Kraft tun könnten, damit die Beziehung zu Gott wiederhergestellt wird. Deshalb gab uns Gott seinen Sohn, der für uns und unsere Sünden starb und auferstanden ist. Die Gnade Gottes in unserem Herrn Jesus Christus beginnt damit, dass wir uns nicht mehr Gott gleichsetzen wollen, sondern vor ihm bekennen, dass wir Sünder sind. Es ist ein erster Schritt, uns nicht mehr auf uns selbst, sondern nur noch auf Gott und sein Urteil zu verlassen.

Die Antwort auf die Frage, der dieser Vortrag nachgeht, wo findet deine Seele Ruhe, heisst darum: Wir finden Frieden nur dann, wenn wir mit Gott Frieden schliessen können. Dieser Friede gibt es nur in der Erlösung durch Christus, im Versprechen Gottes, dass diese Welt, wie wir sie heute erleben, vorbeigehen wird. Dieses nichtige Streben nach Unendlichkeit in einem wahnsinnigen Umfeld, wo wir getrennt von Gott nach Erfüllung suchen, wird vorbeigehen. In Christus hoffen wir auf die erneuerte Welt, welche uns für immer mit Gott verbindet. Er ist und bleibt die einzige und absolute Quelle von allem, was ewig und vollkommen ist. Ich möchte mit einem der vielen Verse der Bibel schliessen, die uns Mut und Zuspruch bringen, den Frieden bei dem einen Gott zu suchen (Epheser 2,13-14): „Jetzt aber seid ihr, die ihr einst fern wart, nahegebracht worden und durch das Blut des Christus, denn er ist unser Frieden.“